Verbote verbieten

titeln die Julis und fühlen sich freiheitlich, wenn sie danach ein Grillfest veranstalten.

Nichts gegen Grillfeste, bei dem aktuellen Wetter neige ich auch sehr stark hierzu.

Politisch geht es bei dieser symbolischen Handlung aber um die Auseinandersetzung, wie weit Essen eine rein private Entscheidung ist, wie weit diese gesellschaftliche Konsequenzen hat und welcher Schluss hieraus gezogen wird.

Durchaus in Abgrenzung von der liberalen Konstruktion eines “Privaten” formulierte die Neue Linke die Aussage “Das Private ist Politisch”, formulierte, dass gerade die unter diesem Schlagwort verankerten Handlungsweisen maßgeblich für den Aufbau der Gesellschaft sind und sich hier Herrschaft abspielt (damals weitgehend bezogen auf das Patriarchat). Die Neue Linke, die antiautoritäre Bewegung, stemmte sich hingegen wie keine andere Kraft gegen Herrschaft. Aber heutige Herrschaft ist indirekte Herrschaft, kein unmittelbarer Zwang.

Ich finde die liberale Aversion gegen die Einschränkung der Handlungsfreiheit äußerst sympathisch. Allerdings leben wir – was sich durchaus beklagen aber unter den bestehenden gesellschaftlichen Verhalten nicht mal eben abschaffen lässt – in einer verwalteten Zeit, in der Institutionen sich darum kümmern, konkurrierende Interessen davon abzuhalten, dass Menschen unter die Räder geraten. Die Julis wollen aber genau dies nicht akzeptieren. Ihr Freiheitsbegriff sieht so aus, dass jedes einzelne Warensubjekt sich als KonsumentIn austoben kann, ohne die Konsequenzen mitzudenken. Schließlich leben wir ja in der besten aller Welten. Wenn sich Julis jetzt scharenweise mit der Herkunft ihres Essens beschäftigen würden und von nun an bewusst ihre freie Kaufkraft verwendeten, um den ökologischen Umbau zu unterstützen, würden sie einen tatsächlichen Liberalismus vorleben, könnten diesen von allen einfordern und von diesem Standpunkt aus zeigen, dass einschränkende Institutionen tatsächlich nicht notwendig wären. Statt dessen ziehen sie aber den Fehlschluss, Verbote als ja tatsächliche Einschränkungen der Handlungsfreiheit seien das Gegenteil von Freiheit schlechthin und Widerstand hiergegen legitimiere alles.

Im übrigen halte ich wenig von einem Veggie-Tag. Er verharmlost nämlich die Hungerkrise, die seit 2008 die Welt bestimmt. Dass Fleischessen gesellschaftliche Konsequenzen hat, hat ein Großteil der Bevölkerung durchaus schon verstanden generic cialis 20mg
. Nur die Abgewöhnung ist mühsam und sozial anstrengend. Gerade weil diejenigen, die dies offensiv vertreten, hieraus häufig eine Weltanschauung machen und VegetarierInnen und VeganerInnen daher erstmal schräg angeschaut werden.

Aber zurück zu den Verboten: Verbote sind Institutionen. Die sich säkularisierende Moderne akzeptiert keine traditionellen und religiösen Beschränkungen der individuellen Freiheit. Auch wenn dies in Deutschland weniger ausgeprägt ist als in Ländern mit stärkerer Verankerung in der Aufklärung. Insofern müssen Institutionen argumentativ begründen, warum sie die allgemeine Handlungsfreiheit einschränken. Als Grüne beziehen wir in diese Argumentation zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten mit ein. Hier unterscheiden wir uns von den Liberalen.

Doch nicht alle Vorschriften der letzten Jahre sind hiermit begründet worden. Als wertorientierte Partei wird bei uns die rationale Begründung auch häufig zu wenig expliziert. Es ist schon seltsam, dass wir beispielsweise in der Drogenpolitik weiterhin zweierlei Maß anwenden, wir uns nicht zur Legalisierung durchringen können, obwohl der Drogenkrieg ganze Länder verwüstet. Dass wir die Sinnlosigkeit der Tabak- und Kaffeeproduktion und deren Flächenverbrauch aber genauso wenig thematisieren. Statt dessen führen wir hypothetische Debatten über E-Zigaretten.

Wir sollten – durchaus zusammen mit den tatsächlichen Liberalen – überlegen wie wir die Hungerkrise bearbeiten können und dabei möglichst nicht auf Verbote zurückgreifen. Auf institutionelle Politik in der Hungerkrise aber gänzlich zu verzichten, würde Millionen von Menschen das Leben kosten.

Zur Frage des Verbotes von Verboten sehe ich eine große Liste von Paragraphen des Strafgesetzbuches, die abgewickelt gehören. Die Stellung der Julis zu diesem Thema würde mich brennend interessieren.

Werner Hager

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