WDR 5 Politkum, 01.10.2008 (19:05 Uhr)
https://www.wdr5.de/nachhoeren/politikum.html#f1
Das Interview als MP3-Datei
Wie grün sind die Grünen?
WDR 5: Guten Tag, Herr Zion.
Robert Zion: Guten Tag.
Sie haben als Parteilinker schon früh vor einer Koalition mit der CDU in Hamburg gewarnt. Die Grünen wollten ja in Hamburg dieses Kraftwerk nicht. Sie haben ganz klar im Wahlkampf dagegen Werbung gemacht. Jetzt musste es eine Grüne Umweltsenatorin genehmigen. Wäre das ein Grund, eine Koalition platzen zu lassen?
Nach dem Koalitionsvertrag nicht. Nein. In dem Koalitionsvertrag steht ja dazu nur ein einziger Satz drin, dass die rechtlichen Bedingungen darüber entscheiden, ob Moorburg nun genehmigt wird oder nicht.
Das ist ja auch durchschaubar. Für was halten Sie den die Grünen in Hamburg: für unglaublich naiv, weil sie ehrlich geglaubt haben, sie könnten das Kraftwerk verhindern? Oder eher für unglaublich machtgeil, weil sie trotz Moorburg an die Regierung wollten?
Die Grünen haben ja in Hamburg bei der Bürgerschaftswahl ein Viertel ihrer Wähler verloren, eben gerade, weil Krista Sager noch während des Wahlkampfes plötzlich Schwarz-Grün nicht mehr ausschloss. Danach hat auch Christa Goetsch eindeutig gesagt, dass habe den Grünen schwer geschadet. Und jetzt sagt ja Anja Hajduk, die Umweltsenatorin, man habe eine Niederlage erlitten. Wenn ich das jetzt z.B. mal mit der Niederlage der CSU vergleiche – die hat ja auch ein Viertel ihrer Wähler verloren -, da haben aber alle Verantwortlichen gesagt: Ja, wir haben die Botschaft der Wähler verstanden, wir übernehmen die Verantwortung, wir treten zurück.
Darf ich das dann noch mal so verstehen, dass Sie also im Prinzip die Hamburger Grünen-Vorstände auffordern, das Gleiche zu tun?
Das wäre, wenn ich Mitglied der GAL wäre, mein Antrag – natürlich. Da muss die Verantwortung für übernommen werden, meiner Ansicht nach. Das ist ja kein Koalitionsbruch, sondern eigentlich noch viel schlimmer, was da geschehen ist, das ist ja Wählerbetrug. Weil ja der Wahlkampf explizit mit diesem Hauptthema geführt wurde, u.a. ja auch mit der Elbvertiefung und Abschaffung der Studiengebühren und da so gut wie garnichts erreicht wurde in der schwarz-grünen Koalition.
Nun sagen die Gegner der Grünen ja, das ist ein Weg für den Einstieg in die Kohle bei den Grünen, den die Hamburger da gefunden haben. Es gibt ja prominente wie Joschka Fischer, der gern durchblicken lässt, die Grünen könnten nicht gleichzeitig aus Kohle und Atomkraft aussteigen. Nun hat Fischer, das wissen wir beide, offiziell nichts mehr zu sagen, aber, im November soll ja Cem Özdemir Ihr neuer Grünen-Chef werden und von dem weiß man, dass er ähnlich denkt wie Fischer. So einen können Sie doch eigentlich nicht wählen, oder?
Cem Özdemir hat das ja wieder zurück genommen, hat gesagt, das war ein Missverständnis.
Haben Sie ihm das geglaubt?
Ja, wenn er das sagt, muss ich ihm das natürlich glauben.
Wie sieht es denn in Ihrem Inneren aus?
Ja, wissen Sie, in meinem Inneren sieht es so aus, dass ich glaube, dass die Grünen in der Bundesrepublik momentan einer ihrer schwierigsten Phasen durchmachen. Nämlich im Umbruch des Parteiensystems glauben einige bei uns, wir müssen uns von unserem Anspruch, Konzept- und Programmpartei zu sein, lösen und Scharnierpartei werden. So wie die FDP etwa. Ich glaube, das würden die deutschen Grünen nicht überleben, dann würden wir das Schicksal wahrscheinlich der italienischen und französischen Grünen teilen und in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Das treibt mich um, das sage ich Ihnen auch ganz ehrlich.
Was sollten die Grünen dann nun lernen aus Hamburg für künftige Koalitionsverhandlungen, auch in NRW oder auf Bundesebene? Lohnt sich ein Wahlkampf gegen Sachen, den man nicht gewinnen kann. In diesem Fall also gegen Umweltsünden, die die Grünen dann später als Regierungspartei mittragen müssten?
Nein, die Botschaft sollte eine offensive sein. Wir sollten keine Partei gegen etwas sein, sondern FÜR etwas: Nämlich nicht gegen irgendwelche Umweltsünden, sondern FÜR die Energiewende, FÜR erneuerbare Energien, FÜR ein neues Paradigma im Sozialsystem, FÜR eine verantwortungsvolle Friedens- und Außenpolitik. Die Partei selber hat ja auf ihren letzten beiden Parteitagen in Göttingen und in Nürnberg auch eine umfassende Programmatik in der Richtung verabschiedet.
Und wenn die Partei im Wahlkampf schon merkt, dass sie das mit keinem Koalitionspartner erreichen kann, ihre eigenen Ziele, dann sollte sie sich aus der Regierung raushalten? Ist das Ihre Meinung?
Natürlich, ich habe ja in Göttingen gesagt auf dem Sonderparteitag, bzw. danach habe ich das der taz gesagt: Wer den Nachweis seiner Oppositionsfähigkeit nicht erbringen kann, der braucht über seine Regierungsfähigkeit erst gar nicht nachdenken.
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