von Karl-Wilhelm Koch
Weitgehend unerwartet hat sich am vergangenen Wochenende ein neuer Konflikt entwickelt, der schwer zu durchblicken ist, aber eine enorme Gefahr in sich birgt, zu eskalieren. Es ist eine Gemengelage entstanden, in der erkennbar gleich mit Saudi-Arabien, dem Iran und der Türkei gleich drei Staaten um die Vormacht in der Region kämpfen, militärische Eskalation nicht ausgeschlossen.
Die Nachbarstaaten Katars (alle außer Oman auf der arabischen Halbinsel!) haben überraschend ihre diplomatischen Beziehungen zu dem Wüstenstaat gestoppt. Katars Nachbarländer Saudi-Arabien, Bahrein und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) schlossen auch die Grenzen. Sie forderten Bürger Katars auf, in spätestens 14 Tagen auszureisen, wie der mit saudi-arabischem Geld finanzierte Fernsehsender Al Arabija am Montag meldete. Auch Katars Diplomaten sollen ausreisen. Zusätzlich zogen auch Ägypten und Jemen Konsequenzen. Der Vorwurf: Katar unterstütze Terroristen – und Iran. Brisant: In Katar befindet sich auch ein US-amerikanischer Militärstützpunkt.
Aus Regierungskreisen in Riad hieß es, Katar verletze seit Jahren die Souveränität Saudi-Arabiens und wolle das Land spalten. Katar begünstige zahlreiche Terrororganisationen, um die Region zu destabilisieren. Dazu zählten neben dem IS und den Muslimbrüdern auch Gruppen, die vom Iran gefördert würden. Irans Präsident Hassan Rohani: „Was nun geschieht, ist ein vorläufiges Ergebnis des Schwertertanzes.“ Er spielte damit auf den traditionellen Schwertertanz an, an dem der amerikanische Präsident Donald Trump teilgenommen hatte, als er wenige Tagen zuvor Saudi-Arabien besuchte. In einer Rede hatte Trump die Golf-Staaten dazu ermuntert, den Terrorismus zu bekämpfen.
Es scheint höchst glaubhaft, dass Trump hier seine Hände im Spiel hat und versucht, so den IS und anderen Gruppen den Geldhahn ab zu drehen – ein Spiel mit dem Feuer: Der Iran steht bereit in die Handelslücke zu springen, damit hätte die Iranische „Allianz“ (Iran, Syrien, Hisbollah im Libanon, jemenitische Rebellen) nach dem umstrittenen Jemen einen weiteren Brückenkopf auf der arabischen Halbinsel, DAS kann nicht Sinn der Aktion sein. Daher werden vermutlich im Hintergrund schon Bestrebungen eines „Regime-Wechsels“ laufen, womöglich werden die arabischen Nachbarn dabei vorgeschoben und die Drecksarbeit machen „dürfen“. Dass der Streit ausgerechnet jetzt in einer diplomatische Krise mündet, dürfte am Besuch des US-Präsidenten Donald Trump vor zwei Wochen in Saudi-Arabien liegen. Trump hatte sich bei seinem Besuch an die anderen Golfstaaten gerichtet, nicht aber an Katar.
Boykott und Kappung der Verkehrsverbindungen
Der Luft- und Schiffverkehr wurde eingestellt, Bahrain, Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate haben den Luft- und Schiffverkehr nach Katar beendet. Die Fluggesellschaften Etihad mit Sitz in Abu Dhabi, Emirates mit Sitz in Dubai und FlyDubai teilten mit, sie würden Flüge nach Katar aussetzen. Saudi-Arabien gab bekannt, seine Landesgrenze mit Katar zu schließen, wodurch das Land vom Rest der arabischen Halbinsel abgeschnitten würde. Katar ist auf dem Landweg nicht mehr erreichbar, auf dem See- und Luftweg gibt es nur noch einen schmalen Korridor, wo keine anderen Hoheitsgewässer oder -lufträume genutzt werden müssen. Auch dies führt bereits zu Verspätungen und Ausfällen von Transporten. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln, bisher überwiegend auf dem Landweg von den arabischen Nachbarn, existiert nicht mehr. 90 Prozent der Lebensmittel in Katar werden importiert – ein Drittel stammte bisher aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Zeitgleicher IS-Terror im Iran – nur Zufall?
Die Anschläge im Iran am 7.5.2017 haben eine neue „Tür“ des Eskalation im Nahen Osten geöffnet, auch dies ging in den Turbulenzen der restlichen Welt weitgehend unter: Erstmalig gelang es dem IS zwei große, offenbar koordinierte Anschläge im Iran durchzuführen. Zudem gelangen die Anschläge im Herzen der Republik, bei zwei Angriffen auf das Parlament und das Mausoleum des verstorbenen Revolutionsführers Ayatollah Ruhollah Khomeini waren nach Angaben des Katastrophenschutzes mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen und mehr als 40 verletzt worden. Die Anschläge zeigen deutlich, wohin der Weg führt: zu einem – wirtschaftlichen, aber auch militärischen – Schulterschluss in der arabisch-sunnitischen Welt, gegen den Iran, gegen die Schiiten, aber mit den USA … und dem IS im Hintergrund. Da die Iranische Führung, vermutlich nicht so ganz ohne Grund, Saudi-Arabien die Schuld an den Terrorangriffen gibt, wird die Lage weiter eskalieren. Anfang Mai hatte der saudi-arabische Vizekronprinz Mohammed bin Salam gedroht: „Wir werden daran arbeiten, dass die Schlacht in Iran stattfindet.“ Auch der Zeitpunkt kurz nach dem Trumpbesuch und fast synchron zu der Katar-Krise spricht Bände (und zeigt, WER hier offenbar Einfluss auf den IS hat)! Auch die iranischen Revolutionsgarden brachten die Attacken mit der Reise von US-Präsident Donald Trump nach Riad in Verbindung. In einer Erklärung hieß es sinngemäß: „… dass Trump kurz zuvor eine der reaktionärsten Regierungen in der Region besucht habe, sei sehr bedeutungsvoll. Das Königreich unterstütze ständig Terroristen, einschließlich der IS-Miliz. Dass der IS sich zu dem Attentat bekannt habe, verrät die Hand Saudi-Arabiens in dieser barbarischen Aktion.“ Der Iran wird als das „größere Problem“ im Vergleich zu Israel gesehen, mit dem man sich arrangiert hat, zumindest vorrübergehend. Wenn das „Schiiten-Problem“ gelöst ist, so offenbar die Gedanken im Hinterkopf vieler Vordenker, dann könnten sie sich immer noch mit vereinter Kraft dem „Juden-Problem“ zuwenden … Israel wie die USA (und Europa?) gehen die Weg scheinbar ohne jegliches logisches Denken und Überlegung der Folgeschritte mit.
https://www.tagesschau.de/ausland/teheran-137.html
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-06/iran-anschlag-festnahme-terror-teheran
Rolle der Türkei
Das türkische Parlament hat die Stationierung von Truppen in Katar beschlossen. Die Abgeordneten billigten ein Verteidigungsabkommen mit dem Golf-Emirat. Das Land verfügt in Katar bereits über eine Militärbasis, auf der bislang 80 Soldaten stationiert sind. Die Militärbasis könnte auf bis zu 3.000 Soldaten aufgestockt werden. Damit spielt auch in der aktuellen Entwicklung die Türkei unter Erdogan wiederum eine Sonderrolle. Fast sieht es aus, als wolle Erdogan die „Gunst der Stunde“ nutzen, um seine Machtambitionen im Nahen Osten zu stärken. Obwohl von der sunnitischen Glaubensrichtung eher an der Seite der arabischen Koalition, verblüfft sie ihre Gegner inklusive des NATO-Partner USA, indem just zum Zeitpunkt der Eskalation die schon vorhandene Truppenpräsenz in Katar deutlich ausgeweitet wird. Das Symbol ist eindeutig als Warnhinweis bezüglich eines drohenden militärischen Eingriffes Seiten Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten zu verstehen. Dass auch die USA noch einen Militärstützpunkt in Katar haben, macht die Entwicklung noch „delikater“. Erdogan und die Herrscher von Katar verbindet die Nähe zu den Muslimbrüderschaften, die wiederum erbitterte Gegner der Regierung in Ägypten sind. Damit verübeln sie auch die Unterstützung der Saudi für den Gegenputsch und den Sturz Musris.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2017-06/katar-tuerkei-parlament-soldaten-stationieren
Undurchsichtige Rolle der USA
Abgesehen von Trumps Besuch in Saudi-Arabien ist die Rolle der USA völlig undurchsichtig, ja sogar kontrovers. Zum einen unterhalten die USA einen großen Militärstützpunkt in Katar, den sie für die Bekämpfung des IS in Irak und Syrien auch dringend brauchen, zum anderen ist offenbar Trump, wie oben dargestellt, massiv in die aktuelle Entwicklung involviert, wenn diese nicht gar von ihm losgetreten wurde. Spiegel Online bringt das auf den Punkt: „Trump gegen Tillerson – Chaotische Signale aus USA zur Katar-Krise – Der Präsident teilt aus, sein Außenminister beschwichtigt, darauf verschärft der Präsident erneut den Ton: In der Haltung zu Katar ist sich die US-Regierung offenbar völlig uneins.“ Während Trump weiter wütend gegen Katar twittert, ruft sein Außenminister auf, die Isolation Katars zu beenden.
Auswirkungen auf Deutschland?
Verschärft sich die Krise, wird das auch die deutsche und europäische Wirtschaft massiv betreffen. Katar ist bei einigen wichtigen Großunternehmen wie VW und Deutsche Bank Großaktionär.
Weitere Quellen:
https://www.tagesschau.de/ausland/katar-isolation-103.html
https://www.spiegel.de/politik/ausland/katar-saudi-arabien-und-der-terror-a-1150959.html
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