Flagge zeigen im Dieselskandal

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Illegale Abschalteinrichtungen, die Abgaswerte vortäuschen, die in der Realität nicht erreicht werden, werden Gerichte und Politik noch eine Weile beschäftigen. Dass der vorsätzliche Betrug  durch ein Kartell umgesetzt wurde, wirft ein noch hässlicheres Licht auf die deutsche Autoindustrie. Für die Hersteller sind milliardenschwere Strafen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene zu erwarten. Der Schaden, der der deutschen Wirtschaft, ihrem Warenexport und dem Gütesiegel ‚Made in Germany‘ durch das kriminelle Vorgehen entstanden ist und noch entstehen wird, ist noch nicht zu bemessen. Die weltweite Vorrangstellung der deutschen Autoindustrie findet hier möglicherweise ein unschönes Ende.

Die grüne Partei hat in der Verkehrspolitik einen ihrer Markenkerne. Weil wir glauben, dass die Grünen in der Auseinandersetzung viel gewinnen können, sollten wir die Rolle der ökologischen Interessenvertretung entschieden wahrnehmen. In der Öffentlichkeit muss durch Wort und Tat deutlich werden, dass grüne Politiker sich nicht an der Kungelei mit der Automobilindustrie beteiligen. Nur wenn wir wahrnehmbar Druck auf die Verkehrs- und Klimapolitik der Bundesregierung ausüben, werden wir ein zufriedenstellendes Ergebnis am 24. September erzielen können.

 

Wir erlauben uns 10 Punkte zu benennen, die wir im Umgang mit dem Skandal für wichtig halten.

1. Die Kartell-Verantwortlichen müssen zur Verantwortung gezogen werden

Die verantwortlichen Männer in den Vorständen, die das Kartell gebildet haben, um Preise wettbewerbswidrig zu bestimmen, Zulieferer zu schädigen und vorsätzlichen Betrug zu organisieren, indem sie Käufern wahrheitswidrige Abgaswerte vorgetäuscht haben, müssen gerichtlich und politisch zur Verantwortung gezogen werden. Ohne den Gerichten vorgreifen zu wollen, wäre es wünschenswert, dass eventuelle Strafen sich auch an die verantwortlichen Personen adressieren.

 

2. Eine mögliche Mitwirkung der Politik bei dem Abgasbetrug ist zu untersuchen

Die Politik muss Farbe bekennen. Was hat Angela Merkel und die Bundesregierung zu welchem Zeitpunkt über die Funktionsweise der Abgasreinigung gewusst? In welcher Weise wurden Regelungen zur Kontrolle der Abgase mit den Autokonzernen abgestimmt? Wann wurde ihr die Existenz des Kartells bekannt oder wurde dieses vielleicht sogar stillschweigend toleriert? Der Deutsche Bundestag muss diesen Fragen gründlich nachgehen. Nichts darf unter den Tisch gekehrt werden. In kommender Legislaturperiode kann ein Untersuchungsausschuss mit diesen Fragen betraut werden, aber jetzt sollte eine Sondersitzung des Bundestags so schnell wie möglich, Licht ins Dunkel bringen. Die Wählerschaft hat ein Recht auf Aufklärung noch vor der Wahl.

 

3. Die Abschaffung des Kraftfahrtbundesamtes

Das Kraftfahrtbundesamt hat seine Kontrollfunktion fahrlässig oder vorsätzlich nicht wahrgenommen. Es kommt somit seinen Aufgaben nicht nach und hat damit jegliche Existenzberechtigung verloren. Die Überwachungsfunktionen, die bislang dort untergebracht sind, müssen in das Umweltbundesamt integriert werden.

 

4. Rückgaberecht ohne finanziellen Verlust für die geschädigten Käufer

Der Staat muss gewährleisten, dass die betroffenen Autokäuferinnen und Käufer entschädigt werden. Wer sein Auto zurückgeben möchte, weil er aufgrund falscher Angaben zu einem Kauf verleitet wurde, muss dies ohne finanziellen Verlust umsetzen können.

 

5. Euro 6-Norm durchsetzen

Die Euronorm 6 ist sofort umzusetzen. Krimineller Betrug darf keinen weiteren Tag geduldet werden. Es ist hinlänglich bekannt, dass Softwareeingriffe nicht reichen werden, die Norm zu erfüllen. Alle Fahrzeuge der Euronorm 5 und 6 sind auch in Deutschland technisch derart umzurüsten, dass sie im Fahrbetrieb die Norm einhalten.

Die Zulassungsverfahren müssen grundsätzlich reformiert werden. Sie bedürfen für Autofahrerinnen und Fahrer absoluter Transparenz. Allgemeingültige Schadstoffmessungen dürfen in Zukunft nur im Fahrbetrieb auf der Straße vorgenommen werden.

 

6. Abschaffung des Steuervorteils für Dieselkraftstoffe

Da Dieseltreibstoff keine positive Bilanz in Sachen Umweltfreundlichkeit aufweist, ist jedes Privileg für diesen hinfällig und abzuschaffen.

 

7. Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in von Stickoxiden belasteten Stadtzentren

Die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger darf gegenüber den Geschäftsinteressen betrügerischer Autohersteller nicht das Nachsehen haben. Grüne Politik sollte sich explizit für die Gesundheit der Menschen verwenden. Kinder sind nachweislich besonders gefährdet. Überall da, wo die Konzentration von Stickoxiden einen gesundheitsgefährdenden Bereich überschreitet, sollten ab sofort Fahrverbote für alle Dieselfahrzeuge ausgesprochen werden, die die Euro 6-Norm im Fahrbetrieb nicht einhalten.

 

8. Entschädigung für Geschädigte

Aus Gewinnen und Aktionärsabgaben ist ein staatlich kontrollierter Fonds zu speisen, der gesundheitlich Geschädigte entschädigt.

 

9. SUN-CAR

Aus den zu erwartenden Strafzahlungen für Betrugs- und Kartellvorwürfe in Milliardenhöhe soll vermittels eines Fonds die Entwicklung des Autos der Zukunft gefördert werden. Die Mobilität der Zukunft bedarf neuer Konzepte, technischer Entwicklung und intelligenter Regularien.

 

10. Forderung nach dem politischen Amt

Die Debatte um die Folgen des Abgas- und Kartellskandals müssen auch die Forderung nach dem politischen Amt des Verkehrsministeriums einschließen. Die Wählerinnen und Wähler haben uns bislang eine hohe politische Kompetenz in verkehrspolitischen Fragen zugestanden. Somit kann das offensive Eintreten für die oben genannten Forderungen in Verbindung mit dem ebenfalls offensiv vorgetragenen politischen Ziel, in einer möglichen Regierungs-Koalition die Besetzung des Verkehrsministeriums anzustreben, einen Grund liefern, Grün zu wählen.

 

Politische Anschlussfähigkeit stellt sich nicht durch Willfährigkeit gegenüber der Autoindustrie und  ihren Partnerinnen in der Politik her, sondern über ein gutes Stimmergebnis am 24. September.

Das schaffen wir, wenn wir zu unseren politischen Inhalten stehen. Zukunft ist aus Mut gemacht!

 

Hartmut Bäumer, Matthias Dittmer, Axel Friedrich, Theresa Theune

 

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Hartmut Bäumer war bis 2014 Ministerialdirektor im Verkehrsministerium Ba-Wü.
Axel Friedrich war Abteilungsleiter im Umweltbundesamt.
Theresa Theune und Markus Dittmer gehören der LAG Mobilität der Berliner Grünen an.

Artikel in der taz

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