16.05.2011: Die GRÜNE JUGEND hat auf ihrem 36.Bundeskongress in Würzburg einen Antrag beschlossen, der sich mit dem neuen Ausstiegsplan der Bundesregierung und einer möglichen Grünen Zustimmung dazu befasst.
Die Anti-Atom-Bewegung hat viel erreicht. Jede Stunde, die die AKWs in Deutschland weniger laufen, ist ihr Sieg Sie hat es geschafft, mit vielfältigen, kreativen Protesten über 30 Jahre lang das Thema auf die politische Tagesordnung zu setzen. Sie hat sich nie zufrieden gegeben mit Atomkompromissen zwischen Parteien und Konzernen. Besonders, seit klar wurde, dass eine schwarz-gelbe Bundesregierung den von Rot-Grün beschlossenen Atomkompromiss aufkündigen will, hat die Bewegung Zulauf bekommen und ist noch stärker geworden. Ohne ihre unermüdlichen Anstrengungen, ohne die vielen Demonstrationen, ohne die Castor-Blockaden und die Menschenketten wäre solch ein atomkritischer Diskurs in der Gesellschaft nicht möglich gewesen.
Atomare Wendehälse entlarven
Nach der Katastrophe in Fukushima haben sich die Situation und die politische Diskussion um den Atomausstieg verändert. Während CDU/CSU und FDP noch vor einem halben Jahr die Laufzeiten der Atomkraftwerke um bis zu 14 Jahre verlängert haben, ohne dabei den Bundesrat mit einzubeziehen – ein klarer Verfassungsbruch – hat sich mit Fukushima scheinbar alles verändert: Merkel setzte eine Ethikkommission ein, welche so schnell wie möglich die Laufzeitverlängerungen rückgängig machen und einen neuen Ausstiegsplan diskutieren soll. Nach ersten Informationen will die Kommission der Regierung einen Atomausstieg bis 2021 vorschlagen. Und es deutet sich an, dass zumindest Teile der Bundesregierung diesem Vorschlag folgen wollen. Damit ist klar: Schwarz-Gelb gesteht seine Niederlage in der Atomdebatte ein. Doch versucht die Regierung, für die Atomkonzerne zu retten, was zu retten ist, und will nur zu eben jenem Konsens zurückkehren, den sie noch vor einem halben Jahr aufgekündigt hat. Das reicht uns nicht.
Und weiteres Misstrauen ist angebracht: Die 180-Grad-Wende der Atom-Parteien kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass CDU/CSU und FDP jahrzehntelang schmutzige Deals mit den Atomkonzernen gemacht haben und Lobbyinteressen über BürgerInnenwillen stellten. Wir wissen, dass Schwarz-Gelb auch jetzt nicht zur Anti-Atom-Regierung mutiert, sondern lediglich vom öffentlichen Druck dahin gedrängt wird. Auch das ist ein Erfolg der Anti-AKW-Bewegung. Wir glauben nicht, dass diese Regierung uns einen sauberen, schnellstmöglichen Atomausstieg vorlegen wird. Die AtomlobbyistInnen beider Parteien werden versuchen zu tricksen, zu täuschen und zu verzögern, wo es nur geht. Schon jetzt deutet sich an, dass die Energiekonzerne für die „Zumutungen“ des Atomausstiegs anderswo entschädigt werden sollen – z.B. durch konzernfreundliche Zugeständnisse beim EEG. Dem widersprechen wir klar. Wir fordern mit Nachdruck eine demokratische, dezentrale Energiewende.
Schon wird angefangen, den Ausstieg aus der Atomenergie als Argument für neue Kohlekraftwerke in Stellung zu bringen und damit den Atomausstieg gegen den Klimaschutz auszuspielen. Und schon wird in den beiden Fraktionen von Union und FDP über eine Revisionsklausel nachgedacht, damit der Ausstieg später doch wieder verzögert werden kann. Das alles zeigt: Entschieden ist noch nichts. Und deshalb ist es auch viel zu früh, der Bundesregierung die Hand zum Konsens zu reichen.
Für den schnellstmöglichen Atomausstieg
Gerade jetzt ist die Zeit ist reif für einen schnellstmöglichen Atomausstieg. Deshalb werden wir weiterhin Druck auf die Straße bringen. Wir werden am 28. Mai in vielen Städten demonstrieren und ab Pfingsten die AKWs Biblis und Brokdorf blockieren, zusammen mit der Anti-AKW-Bewegung!
Aber es braucht auch Druck im Parlament. Dabei kommt es besonders auf die Grünen an. Keine andere Partei hat sich so sehr für den Atomausstieg eingesetzt wie Bündnis 90/Die Grünen. Die Grünen haben sich immer für den Atomausstieg eingesetzt und in harten Verhandlungen mit den Konzernen den rot-grünen Atomkonsens erkämpft. Die GRÜNE JUGEND hat den Atomkonsens immer kritisch betrachtet: Er war uns zu langsam und wir haben immer befürchtet, dass er bei erstbester Gelegenheit von den Atomkonzernen und ihren politischen Handlangern aufgekündigt würde – so wie es ja jetzt auch passiert ist. In den letzten Jahren haben sich die Grünen jedoch kritisch mit dem Atomkonsens auseinander gesetzt, für einen schnelleren Atomausstieg gekämpft und das Bündnis mit der Anti-Atom-Bewegung erneuert. Die Kehrtwende der Regierung ist deshalb nicht zuletzt auch ein Erfolg der Grünen.
Gerade dieser verpflichtet die Grünen aber, sich nun gegenüber der Regierung für den schnellstmöglichen Atomausstieg einzusetzen. Es ist klar, dass das nicht 2021 ist. Die Umweltverbände haben Konzepte für einen Atomausstieg bis 2015 vorgelegt. Die Grünen selber haben nach der Katastrophe von Fukushima auf dem Länderrat im März 2011 eine Neubewertung der Anti-Atom-Politik vorgenommen und beschlossen, bis spätestens zum Ende der nächsten Legislatur, also bis 2017, auszusteigen. Dieses Ziel muss die Messlatte für die anstehende Auseinandersetzung mit der Bundesregierung sein.
Nun versucht die Bundesregierung, auch die Grünen für einen Konsens über den Atomausstieg zu gewinnen. Natürlich wäre es ein hohes Gut, wenn nach Jahrzehnten der Auseinandersetzung endlich ein gesellschaftlicher und parteipolitischer Konsens über den Atomausstieg zustande käme und dieser damit endgültig unumkehrbar würde. Aber so schön und gut ein gesellschaftlicher Konsens sein mag, entscheidend ist, was drin steht. Und da darf es nicht sein, dass die Atomparteien, die Verliererinnen dieser Auseinandersetzung, die Konditionen und Bedingungen dieses Konsenses festlegen. Und auch hastig eingesetzte Kommissionen können nicht der alleinige Maßstab sein, genauso wenig wie der alte rot-grüne Konsens.
Noch ist nicht klar, was genau die Bundesregierung vorlegen wird, was Teil des neuen Konsenses ist, was genau in den verschiedenen Gesetzen geändert wird, die von dem neuen Konsens betroffen sein sollen. Dies alles muss genau geprüft werden. Als GRÜNE JUGEND stellen wir uns jedem vorauseilenden Gehorsam entgegen, die Grünen sollten nicht schon vor dem Bekanntwerden der Details signalisieren, dass sie einem neuen Konsens zustimmen werden.
Für uns als GRÜNE JUGEND ist klar: Ein falscher Konsens mit den Atomparteien ist mit uns nicht zu machen. Wir wollen so schnell wie möglich aus der Atomkraft aussteigen, am besten bis 2015. Aber ein Ausstieg in der nächsten Legislatur, das heißt bis spätestens 2017, ist die Grüne Forderung. Auch wenn das für die GRÜNE JUGEND nur ein Minimalziel sein kann, müssen die Grünen dieses jetzt angestreben, nicht einen billigen Konsens mit den Atomparteien. Denn wir wollen keine strahlende Zukunft!
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