zu Ralf Fücks offenen Brief an die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Margot Käßmann, veröffentlicht am 2.1.2010 in „Welt Online“
der offene Brief
Reaktion von Simon Lissner:
An den Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung
CC Debattenverteiler der Grünen Linken bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Bundesvorstand via Steffi Lemke
Lieber Ralf Fücks,
deine Worte an Käßmann gelten auch für dich (ich erlaube mir das Zitat anzupassen): „Deine Äußerungen als Privatmeinung abzutun, würde weder Deinem Amt noch Deinen Ambitionen gerecht.“
Angesichts zunehmender Zweifel an der Entwicklung des ISAF-Einsatzes nach der „Vernichtung“ (Oberst Klein) einiger weniger Taliban bei unverhältnismäßigen „Kollateralschäden“ unter der Zivilbevölkerung predigst du unverdrossen eine Position, die bereits 2007 in Göttingen unsäglich aufgefallen ist und in der Partei keine Mehrheit gefunden hat. Gott sei dank wachsen die Zweifel an diesem Einsatz unterdessen auch unter GRÜNEN Abgeordneten.
Dein Schreiben an Frau Käßmann ist ein Zeugnis deiner dramatischer Realitätsferne. Heinrich Böll, dessen Stiftung du vorsitzt (wie lange eigentlich a) schon? und b) noch?, würde dafür vermutlich deutliche Worte gefunden haben – zum Beispiel die: „Herr Fücks – ist das eigentlich ein Kriegstreiber der sein Wesen in meinem Namen treiben darf? Und wie lange noch?“
Es ist eine Ungeheuerlichkeit erster Güte, wie du nahezu unverblümt der „Militärgeistlichkeit“ das Wort redest. Die Mär vom „Friedensaufbau“ ISAF wurde in unserer Partei seit 2007 der kritischen Überprüfung unterzogen. Der sich nun vollziehende Wandel hin zum ausgesprochenen Ziel, die Taliban zu „vernichten“, wie Klein das auszudrücken beliebt, wird von dir nur notdürftigst kaschiert. Das einzig Ehrliche an deiner Position ist, dass du offen für die kriegerische Lösung eintrittst (denn andere Lösungen werden wie du in deinem Schreiben verschämt eingestehst, ja kaum angegangen). In der Tat. Da gebe ich dir Recht. Wer sich in den Krieg begibt, tut gut daran ihn zu gewinnen. Aber – was hat das alles noch mit Heinrich Böll zu tun? Was mit uns GRÜNEN?
Auch über deinen mehr als anmaßenden Ton wäre zu diskutieren. Ich denke nicht, dass Käßmann mit dir „Schweine hüten war“, wie man so am Stammtisch sagt.
Dass dieses Pamphlet dankend Abnahme in der Welt Online fand, spricht eine übrige Sprache. Die Leser/innen dieses Blattes werden sicher dankbar sein. Endlich mal ein „Intellektueller Grüner“ der die Sprache des Stammtischs beherrscht. Ich empfehle dir, dich mit der Leserbrief“kultur“ dieses Blattes zu beschäftigen und außerdem solltest du allmählich über einen Wechsel in eine deinen Verlautbarungen angemessenere Stiftung nachdenken.
Wenig erfreut über das im Neuen Jahr.
Simon Lissner
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